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Weichmaulforelle am Jadro akut bedroht

Prädatoren jagen die letzten Softies

Bei meinem Kurztripp nach Kroatien Mitte April machte ich unter anderem auch am Jadro bei Solin halt. Was ich dort sah, stimmte mich äusserst bedenklich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die letzte wilde Jadro Weichmaulforelle verschwindet und nur noch Besatzfische im Fluss schwimmen werden.

Nachdem ich in der zweiten Aprilwoche vergeblich versucht hatte, ein paar Aufnahmen vom laichenden Huchen an der Sava Bohinjka und Radovljica zu machen (Wassertrübung, Temperatur), fuhr ich weiter nach Kroatien. Die Gacka, der zweitgrösste Spring Creek am Balkan gehört zu den zwei besten Gewässern in Kroatien. Wenn irgendwie möglich, versuche ich sie zumindest einmal im Jahr zu befischen, um mir ein Bild von der aktuellen Situation zu machen. An der Gacka sollte ich meinen Freund Milan Kupresanin treffen, der dort regelmässig guidet. Wir hatten eine schöne Zeit und genossen es, am Fluss zu sitzen und uns über die veränderte Situation an verschiedenen Flüssen zu unterhalten. Es macht immer Spass, Milan zu treffen. Die Gacka war wie immer schwierig, aber wenn man vorsichtig ist, sich lautlos am Ufer entlang bewegt und gezielte Würfe zu platzieren in der Lage ist, ist die Gacka immer für eine Überraschung gut. Ich hatte das Glück, wieder ein paar schöne Fische zu fangen.

 

Von der Gacka ging es weiter an die Cetina und den Jadro in der Nähe von Split. Während die Cetina sich abflussmässig eigentlich perfekt zeigte, spielte das Wetter allerdings nicht mit. Noch am Tag zuvor hatte ein Fischerkollege, den ich am Parkplatz traf, mehrere grosse Bachforellen mit der Trockenfliege gefangen, deren Bilder er mir stolz präsentierte. Wirklich herrlich schöne Fische! An diesem Tag war jedoch nichts davon zu bemerken. Es war wie verhext! So schnell kann alles wechseln, wenn ein Wetterumschwung einsetzt. Es blies ein sehr starker und böiger Upstream-Wind, und ich sah nur drei Fische an der Oberfläche, keinen davon ein zweites Mal. Die Fische und allen voran die Insekten hatten wohl auf den extremen Temperaturabfall von 10°C reagiert. Die endemische Cetina Maifliege war zwar vereinzelt in der Luft, aber es waren viel zu wenige, um die Fische in den Fressmodus zu versetzen.

 

Das Desaster am Jadro

Vom Fischbestand des Jadro war ich nach einem Check meiner Lieblingsspots sehr enttäuscht, was mich dazu veranlasste, dieses Mal den Jadro nicht zu befischen, sondern zu ergründen, was hier seit meinem Besuch im letzten Jahr passiert ist. Es hängt alles zusammen mit der Realisierung eines Grossprojektes am Oberlauf des Flusses. Während der Covid-Zeit wurde knapp unterhalb des Kraftwerks unweit der Quelle des Jadro, also im Fischereischongebiet, ein für diese Stelle überdimensionierter Ausflugspark namens „Jadro – Die Quelle des Lebens“ errichtet. Das 3 Mio. Euro-Projekt wurde im Herbst 2016 gestartet, im Jahr 2021 abgeschlossen und zu 80 % mit EU-Mitteln finanziert. Der Park selbst ist eine gute Idee, da er sich mit der Geschichte des Flusses und seiner Bewohner befasst, insbesondere mit der vom Aussterben bedrohten Weichmaulforelle (Salmo obtusirostris) und den Pflanzen an seinen Ufern. Allerdings ist es meines Erachtens einfach unverantwortlich, Menschen um des (Touristen-)Geldes wegen an den Rückzugsort einer stark gefährdeten Tierart zu locken. Obwohl die Sprecherin im Werbevideo von minimalen Auswirkungen auf die Umwelt spricht, bezweifle ich, dass dieses Versprechen gehalten werden kann, da sich der Fluss seit meinem Besuch im letzten Jahr erneut zum Schlechten verändert hat.

 

Ein Naturpark aus totem Beton

Sie hätten für einen Besucherpark besser das Gebiet um die alte Mühle verwendet und Besucher vom Quellgebiet und Oberlauf ferngehalten. Der grosse Ausflugspark umfasst ein Besucherzentrum für verschiedene Aktivitäten, Radwege, eine Indoor-Fischzucht für Weichmaulforellen, ein Restaurant und einen riesigen Parkplatz für Dutzende Autos. Was mir besonders ins Auge fiel, war der massive Einsatz von Beton. Vergeblich sucht man dort Holz als Bauteil eines Naturparks. Stattdessen steht dort ein Betonbunker. Auch der grosse, völlig unbeschattete (!!) Parkplatz, der an Sommertagen in diesem Becken sehr heiss wird und der sich nach einem sommerlichen Regenguss sehr negativ auf die Wassertemperatur des praktisch ganzen Flusses stromab auswirken kann, stach mir ins Auge. Es gab dort früher nur einen kleinen Picknickplatz in einem kühlen Wäldchen, das dem Fluss Schutz vor den steigenden Temperaturen bot. Es ist sehr lobenswert, sich um den Erhalt der Jadro-Weichmaulforelle zu kümmern, aber das Konzept dahinter ist offenbar wenig durchdacht, da es höchstwahrscheinlich zu einer Umstellung von Selbstverlaichung zu Dauerbesatz mit Zuchtfischen führen wird. Anstatt diesen sensiblen Ort in Ruhe zu lassen, werden nun Massen von Besuchern dorthin geleitet. In Slowenien wurden aus den gleichen Gründen die Ufer von Idrijca und Sava Bohijnka für Touristenradwege (sehr fraglich bezüglich Ökobilanz) ebenfalls zerstört. Es scheint, dass den Tourismusentwicklern nicht bewusst ist, dass die Natur der grosse Schatz des Balkans ist. Naturliebhaber schätzen es nicht, wenn sie bei der Ankunft mit Horden von Touristen konfrontiert werden und Einsamkeit und Wilderness Feeling -was gemeinhin mit Naturliebe assoziiert wird- nicht mehr ausreichend vorhanden ist. Momentan wird am Balkan gleich an mehreren Fronten begonnen, wertvolle Naturrefugien zu zerstören – für Geld. Die Realisierung des Jadro Parks an dieser sensiblen Stelle ist ein grosser Fehler, aber leider nicht der Einzige ...

 

Kurzsichtiges Fischereimanagement

Während sich in den vergangenen Jahren neben den Weichmaulforellen auch Regenbogenforellen im Fluss tummelten, wodurch der Befischungsdruck von den Softies genommen wurde, wurden die Regenbogenforellen mittlerweile fast gänzlich eliminiert. Das erfolgte durch E-Befischungen und soll auch künftig mehrmals jährlich geschehen. Die Regenbogenforelle hat ein ganz anderes Verhalten als die Weichmaulforelle vom Jadro, die lieber Bachflohkrebse und andere Insekten aus dem Quellmoos pickt und selektiv dem Ufer entlang pendelt. Regenbogenforellen schwimmen im offenen Wasser und sind primär oberflächenorientiert und schnappen sich lieber das Weissbrot der Spaziergänger. Die beiden Arten kamen, soweit ich dies optisch beurteilen konnte, gut miteinander klar. Während mehrerer Besuche über die Jahre sah ich keine einzige negativ zu interpretierende Interaktion von Regenbogenforellen gegenüber Weichmaulforellen. Ein negativer Impakt wäre eher durch Besatz mit Bachforellen oder Äschen zu erwarten, wie dies unverständlicherweise an der Neretva in Glavaticevo (BIH) passierte.

Der grosse Pool oberhalb der Fussgängerbrücke war nun praktisch fischleer. Ich konnte im glasklaren Wasser vom Felsen aus nur einen einzigen Fisch dort ausmachen. Früher waren es sicher 20-30 Softies und ein Dutzend Regenbogenforellen, die sich dort tummelten. Was sich seit dem letzten Mal allerdings nicht änderte, waren zwei Kormorane die immer wieder mal flussauf und -ab flogen, abtauchten und offensichtlich versuchten, noch eine der letzten Weichmaulforellen zu ergattern. Es ist tragisch, dass man die Regenbogenforellen eliminiert und somit den ganzen Prädatorendruck auf die Weichfallforellen umgelenkt hat. Ich verstehe nicht, dass an einem Fluss, der eine so bedrohte Salmonidenart beheimatet, fischfressende Prädatoren geduldet werden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass man es ihnen dadurch gestattet, den Jadro Stamm auszurotten. Zum besseren Verständnis: Der Jadro ist nur 2.5 km lang und somit ein einfaches Ziel der sich im Mündungsgebiet aufhaltenden Vögel, die dort im Meer mehr als genug Nahrung vorfinden.

Als Folge des Drucks auf die verbliebenen Softies ist schon jetzt voraussehbar, dass die zukünftigen Weichmaulforelle des Jadro wahrscheinlich bis zu 100 % aus der Indoor-Fischzucht stammen werden. Was nützt jeder Besatz, wenn sie dann von Prädatoren eliminiert werden, bevor sie überhaupt zu adulten Fischen heranwachsen. Eine Politik, die nur scheitern kann.

Verfehltes EU Prädatorenmanagement

Die Problematik ist offensichtlich eine Folge des EU Prädatorenmanagements. Es ist mit viel zu vielen Auflagen verbunden. Dabei könnte es ganz einfach sein. Die Regelung könnte beispielsweise lauten:

Gänsesäger, Graureiher und Kormorane sind in stehenden Gewässern ganzjährig geschützt, es sei denn, die Bestandsmenge wächst auf ein Mass an, das andere Lebensgemeinschaften in diesen Gewässern bedroht. In Fliessgewässern, die bedrohte Fischarten beherbergen oder als Durchzugsgebiet oder Laichgewässer von solchen Fischarten genutzt werden, müssen sie eliminiert werden. Dazu ist keine Sonderbewilligung zu beantragen.

Eine solch einfache Regelung würde dem Schutz sowohl der Vögel als auch der bedrohten Fischarten genügen. Es ist tragisch, dass in Anbetracht der wesentlich brennenderen Situation um die Äsche, den Huchen aber auch noch stärker vom Aussterben bedrohter Arten wie der Weichmaulforelle so wenig Verständnis seitens des Vogelschutzes aufgebracht wird und die Vertreter der Fischerei auf nationaler und internationaler Ebene (Sachverständige und Wissenschaftler) sich nicht viel vehementer Gehör verschaffen.

 

Viele offene Fragen bzw. Baustellen

Es stellt sich ausserdem die Frage, ob aufgrund des riesigen Bestandes des Kormorans in Europa dieser nicht generell unter die jagdbaren Vögel fallen sollte. Die Beantragung von Ausnahmebewilligungen zum Eingriff im Fall eines Einflugs von Prädatoren hat in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen geführt, da aufgrund der Verzögerung durch meist schriftlich zu erfolgende Anträge nicht rasch genug reagiert werden konnte. Das Verjagen der Vögel erhöht nur ihren Energiebedarf. Ausserdem kommen intelligente Vögel, wie Kormorane zweifellos sind, sobald die Luft rein ist wieder zurück an Orte, an denen sie leicht Beute gemacht haben.

In Sachen Otter sieht die Situation nicht anders aus. Diese lässt man gar die sehr teuren Fischtreppen als Nahrungsquelle nutzen, während Angler Abstand von Fischpässen halten müssen, um den Aufzug der migrierenden Arten nicht zu stören. Prädatoren haben an solch sensiblen Engpässen schlicht überhaupt nichts verloren.

 

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